Ein Nachruf und Gedanken zum Jetzt
Ein Nachruf und Gedanken zum Jetzt
Während einer Pandemie zu sterben ist wohl einer der unwürdigsten Momente. Niemand will es wahrhaben und niemand schaut genau hin. Die meisten fühlen sich ohnmächtig. Vor einigen Jahren dachten wohl viele Kunstschaffende, es gäbe kein dringliches, künstlerisches Thema bei uns im privilegierten Westen. Jetzt ist das Thema so gegenwärtig und allumfassend, dass es praktisch alle lähmt. Dabei vergessen wir aber, dass viele Kunstschaffende während einer strengen Zeit wie unserer gegenwärtigen, ihre Kritik an der Gesellschaft ausgeübt haben und nicht müde wurden. So blieben sie Zeitzeugen, falls ihre Arbeit nicht zerstört wurde, weil sie gerade nicht passte zur erzählten Geschichte. Ein alter Künstler sagte mir mal: die Kunst an der Kunst sei es, die Geschichte so klar wie möglich zu erzählen ohne irgendwann mal in eine Schublade gesteckt werden zu können.
So wie unsere Welt momentan ist, entspricht sie wohl eher dem normaleren Zustand, wenn alle bekannten Zeiten miteinander verglichen werden. Im Moment besteht die Welt aus lauter Fettnäpfchen und heissen Eisen. Vor der Pandemie waren wir ohnmächtig, weil wir glaubten, nichts zu sagen zu haben. Nun überfordern uns die vielen Möglichkeiten. Somit sind WIR ohnmächtig und nicht der Zustand ist es, der uns ohnmächtig macht.
Wir, die Handwerke beherrschen, die Werke erzeugen können, die die Zeit überdauern, sind der Welt gegenüber verpflichtet, ihr Handwerk auszuüben und mit unseren künstlerischen Arbeiten unsere Zeit darzustellen, damit in der Zukunft nicht nur EIN Narrativ unserer jetzigen Zeit herrscht. Das Internet ist kein zuverlässiges Medium. Dort gibt es einen einfachen Auswahl- und Delete-Knopf, meist nur für alle anderen. Nütze die reale Welt solange du noch kannst. Das Metaverse ist auch Internet. Suchst du einen realen Ort zum arbeiten, dann melde dich bei uns.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass unsere Die Diebe-Facebook-Seite vor einigen Wochen gelöscht wurde. Für Facebook und wer uns da besucht gibt es Die Diebe also erst wieder seit ein, zwei Wochen. Zu davor haben wir nichts gemacht und nichts zu sagen gehabt. Und jederzeit kann es uns wieder erst ganz frisch geben. Wir haben da nichts in der Hand.
Kürzlich ist ein Handwerks-Freund von mir gestorben. Es gab viele Berichterstattungen über seinen Tod. Leider aber nur über seinen Tod und nicht sein Leben und seine Arbeit. Ich habe mir die Mühe gemacht, die er mindestens verdient hat, und ein paar Worte über seine Arbeit geschrieben. Sein Leben kannte ich nicht gut genug um darüber zu schreiben. Doch Handwerkende kennen ihre Mithandwerkenden und gute Handwerkende werden beobachtet.
Meddy Huduti was Faster than his Shutter
Alle haben mittlerweile mindestens eine Kamera und mehrere Linsen bei sich. Oder ein aktuelles Smartphone. Fotografierende gab es wohl noch nie so viele in der Menschheitsgeschichte wie jetzt und es werden immer mehr. Aber eigentlich gibt es dann doch wieder nur ganz wenige Foto-grafierende: Die, die mit dem Licht zeichnen können. Meddy Huduti war so ein Fotograf. Eines seiner letzteren Bilder, ich habe es hier als Titelbild ausgewählt, erinnert an Gjon Mili. Er verstand das Bild und konnte mit der Realität auf das Foto zeichnen. Dies können wenige Handwerkende der Fotografie. Gjon Mili war einer und auch Meddy Huduti.
In seinen Fotos ist gut ersichtlich wie bewusst ihm die Bildkomposition war. Und wieviel Zeit er sich dafür nahm. Genau diese Zeit macht das Bild für uns so Zeitvoll und somit Gehaltvoll. Wir schauen es gerne an und wissen nicht immer genau warum wir dies tun und versuchen das gezeichnete Foto zu lesen. Beim Bild mit dem rutschenden Schnee vom Dach ist gut ersichtlich, wie intuitiv er die Komposition inne hatte. Denn er hatte wohl kaum Zeit sich einzurichten, als er erkannte, dass der Schnee rutscht. Die ruhenden, wartenden Arme im Gebüsch haben eine weitere kompositorische Qualität. Er komponierte somit auch mit dem Inhalt und kreierte noch weitere Tiefen. Die Arme und die Blätter scheinen das selbe zu tun. Sie warten. Oder das gute Wetter bei bei der wartenden Frau neben dem Maisfeld kann nicht verständlicher sein in wunderschöner Komposition.
Ich hätte sehr gerne miterlebt, wie sich sein Handwerk entwickelt und was er alles noch gemalt hätte auf seinem Bildsensor, denn eines ist bei seinen Bildern klar ersichtlich: Meddy lernte und setzte sehr schnell um.
Diesen Nachruf hätte ich lieber in mindestens fünfzig Jahren geschrieben. Hinter der Kamera wird vieles sichtbar, das Auge und der Kopf lernen, Bilder zu lesen, Situationen, Menschen und die Welt. Diese Fähigkeit steigert sich exponentiell im Laufe der Zeit. Vielleicht kann ein Mensch nicht mehr Bilder machen als er dafür gemacht ist. Vielleicht ging er darum so früh. Weil er alt, respektive reif in der Wahrnehmung war. Ein Fotograf wie er, der solche Bilder macht, ist seiner Zeit voraus. Wer weiss, vielleicht taucht irgendwann in seinen Archiven ein Selbstportrait von ihm auf, das er geschossen hat, bevor er ausgelöst hatte.
Lassen wir uns, wie Meddy, nicht einschüchtern. Nur wenn das Eisen heiss ist, lässt es sich Formen und Fett brauchen wir zum schmieren.
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