Wenn du durch dieses Tor hier hereingekommen bist, ist dir vielleicht aufgefallen, dass diese Gartentore einige Löcher, einige Markierungen haben. Das sind Erinnerungen des Krieges. Es sind Türen, an denen der Krieg sein Kennzeichen hinterlassen hat.

Dieses Haus hier war vor dem Krieg zwei Stockwerke hoch und das Dorf Doberdol brannte zweimal. Stell dir vor, die Familie wäre in diesem Haus gewesen, was passiert wäre, denn in diesen Gegenden wogte der Krieg während zwei ganzen Jahren.

Wo wir nun sind, auf diesem Familienboden … sehe sie symbolisch als eine Familie, die Kosovo repräsentiert und sein Schicksal und die Generationen von Kosovo mit dem Schicksal, das sie hatten. Vor Jahrzehnten migrierten Albaner aus zwei Gründen. Aus politischen Gründen, Gründen der Verfolgung, da die Freiheit von Heimat, Rede, politischer Zugehörigkeit, Überzeugung etc. nicht existierte. Und aus ökonomischen Gründen.

Darum ging der Vater von Bardhec, Preka, gegen Ende der 60er Jahre von diesem Land weg und ging arbeiten in Australien und danach auch in der Schweiz. Bardhec und seine Frau Bora gingen auch dahin. Sie gingen, um in der Schweiz zu leben – Bujar, Besart, Roza, Blerta und Valgjina, und bis zur letzten Generation, die vierte, lebende – Ron, Leka und Era. Ich erwähne diese Namen nicht komplett zufällig. Was bedeutet dies und warum dieses Festival hier?

Wenn wir Festival sagen, meinen wir das als eine Festlichkeit, dieses Mal ein Durchatmen von Kunst. Und da wir auf einem alten Familiengrundstück sind und ich es «Die Multiplikation von Vaterländern und Geburtsorten» genannt habe – genauso ist es mit Kosovo geschehen. Was Kosovo passiert ist, wissen wir alle, um es nicht zu wiederholen.

Da der Weg des Überlebens – sie gingen aus Gründen der politischen Verfolgung ins Ausland, heute wird die Jugend von Kosovo auf anderen Wellen davongetragen, das Schicksal hat sie dazu geführt, nach anderen Wegen aus dem Labyrinth der Nachkriegszeit zu suchen, oder des Gegenüberstellens mit dem Bösen oder dem Faustischen Bösen. So leidet unser Vaterland wieder unter dem ausblutenden Verschütten seines Daseins durch sich selbst, weg von unserem Land der Geburt. Ach, das ist diese Erinnerung des ersten Landes oder der Niederlassungen wo sie lebten. Sie bewahren die grundlegende, erste nationale Kultur oder die Kämpfe und des Widerstands gegenüber dem Eroberer im Gedächtnis. Das heisst, die Menschen identifizieren sich stärker durch die verlassenen Niederlassungen als irgendwas anderes.

Glücklicherweise bewegten sich in der Vergangenheit Menschen innerhalb der Grenzen des ethnisch albanischen Territoriums. Doch lass uns einen Blick auf die Gegenwart werfen und wir sehen wie albanische Familien im Ausland bereits neue Heimaten für ihre Nachfahren erschaffen haben und sie haben vielfache Heimaten und vielfache Geburtsorte gemacht, da die Menschen in einem konstanten Zustand der Bewegung und in einer Routine der Migration sind, wo Exil und andere solche Formen zu Phänomenen unserer postmodernen Welt geworden sind. Doch, die Wahrheit ist, dass Menschen immer durch die Jahrhunderte migriert waren, Niederlassungen gewechselt, gezügelt oder migriert durch verschiedene Gründe. Das Streben nach neuem Schutz hat bereits das moderne Phänomen des heimatlosen Menschen geschaffen. Darum ist es auch nicht verwunderlich, warum gerade das nationale Gedächtnis wie das unsere seine eigene ethnische Landkarte erschafft und eine Gedächtniskarte und die als generationenübergreifendes Erbe behält. Gleichzeitig haben uns Feinde umzingelt und die albanische Familie zu einem Streben nach anderen existentialistischen Archetypen gezwungen. Gegensätzlich zu dem des Überlebens. Da ist es natürlich, dass eine solche Kreatur stark bleibt durch den antiken Archetypus der «sich nach ihrem Mutterland sehnenden». Wo die Wurzeln sind, dahin wird die Erinnerung ewig zurückkehren.

Nun mit Kunst, Kultur, der traditionell albanischen Gastfreundschaft.

Die Erfindung der Erinnerung einer solchen Kreatur, die sich nach ihrem Land sehnt, wird unvermeidlich zu einer Schatzkiste der Forschung für Anthropologen, andere Kulturwissenschaftler, doch auch Literatur. Lyrische und anthropologische Literatur.

Obwohl sie noch immer vom Baum derer pflücken wollen, die als Wurzel ihre Leben und künstlerischen Erfahrungen haben, ich meine, das Abenteuer des Schreibens. Wenn wir im Migranten Erfahrungen, Geschehnisse und Erinnerungen dieser Erfahrungen als ein politisches Zentrum doch auch als ein menschliches begegnen, bedeutet es, dass wir dem gleichen in jedem Migranten oder Künstler, der zu unserem Kosovo kommt, begegnen. Darum ist es die Sache, dass die heutige Zeit sich als modernes Bewusstsein festigen wird, das nicht nur artistisch und kreativ erwacht ist, sondern auch historisch.

Es existiert ein charakteristisches Motto, das geprägt wurde bei diesen jungen Menschen und es bedeutet «Schweiz in Kosovo». Es bedeutet, lasst uns nicht vergessen. Ich sage oft, dass wir ein Kosovo in der Schweiz haben, eines in Deutschland und andere rund um die Erde. Und all diese Kosovos, manchmal, kommen wir zusammen. Dieses Mal also symbolisch mit den Menschen hier versammelt, doch auch als das Erscheinen auf der Bühne der Zeit mit den schönsten Versprechungen: dem Erhobenen in der Kunst, dem Erbe als Furche in der Seele.

Da sie eine Künstlerfamilie sind, ist es natürlich, dass das zentrale Bewusstsein wieder das des Wandernden und Literarischen eines Lebens ist – kreatives Drama – welches versammelt, was aus der künstlerischen Erfahrung und der Erfahrung des Lebens entspringt.

Wenn wir in Migranten dieser Erfahrung, dieser Geschichte, den Reflexionen aufgrund dieser Erfahrung als ein Dreh- und Angelpunkt von geschichtenerzählen und literarischen Stücken begegnen, dann begegnen wir mit dem Kreierenden auch etwas anderem, der Schaffung von objektiver Distanz von ebendieser Erfahrung. Ehre und Liebe zur Familie werden zu einem Band, einer Blutsverwandtschaft. Die Familie ist der Gipfel von erhabenen Werten, der schönsten, der Schönheit der Empfindung, des wunderschönen Geistes, der Schönheit des Lebens selbst. Der polnische Autor Stanisllav würde sagen: «Du kannst deine Augen vor der Realität verschliessen, doch nicht vor der Erinnerung».

Manchmal, wenn sich Menschen in anderen mehrsprachigen und mehrkulturellen Umgebungen wiederfinden, wie in der Schweiz, wo duzende von Menschen leben, dann erscheint eine Art von Dualismus. Höflichkeit erscheint, diejenige, die zwar ein Gefühl ist, doch die aus unserem historischen Schicksal uns da integrieren zu müssen erscheint. Lasst uns was anderes nicht vergessen. In Kosovo nehmen wir diese Distanz anders war, da wir noch immer in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Da sind duzende, vielleicht gar 70% der Kosovaren, die noch nie einen Fuss ausserhalb des Landes gesetzt haben. Es ist ein gutes Glück, dass andere frei hierhin kommen können. Wir werden diesen Kampf auch gewinnen, unsere Menschen sind nicht zu beschuldigen. Es ist schrecklich, wenn ein Europa, das sich seiner Werte der Freiheit lobt, zu einem Meister der Leugnung der Bewegungsfreiheit wird. Wenn wir es auf eine andere Sprache übersetzen müssten wäre das Faschismus, Rassismus. In bestimmten Bedingungen glaube ich nicht, dass diese Menschen die hierhin kamen diesen Faschismus und Rassismus wollen. Daher ist es die Kunst, die um die Freiheit der Menschen bittet, um Bewegungsfreiheit. Auch die Albaner hier, wie die Schweizer, das Recht zu haben im Ausland zu spielen, zu singen und zu rezitieren. Dieses Recht ist für den Moment verweigert, und es ist am schwersten zu tragen. Kunst akzeptiert diese Art von Isolation nicht, diesen Käfig, in den sie Kosovo gesteckt haben. Die Politik hat das gemacht. Die Menschen tragen keine Schuld, genauso auch nicht die Kunst. Warum sollten wir Kunst kriminell sprechen und sie verhindern, sich zu verbreiten? Im eigentlichen Sinne ist Kunst ein Synonym für Freiheit, ein Synonym für Einheit, wie dieses Zusammenkommen und Ereignis heute.

Ich wünsche euch eine schöne Zeit.