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Albumreview STPD

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Quelle: https://www.rocktimes.info/die-die-be-secrecy-through-public-disbelief-cd-review/

Eigentlich hatte ich Ilka bereits abgesagt zu diesem Review. Ich gehe prinzipiell sehr Bauch-orientiert an Musik heran, egal, ob privat oder wenn es um eine Besprechung für unser Magazin geht. Nach dem ersten Durchlauf konnte ich mit der Musik nichts anfangen.
Aber auch ich bin irgendwie Gefangener selbst auferlegter Traditionen und Gewohnheiten, ein Thema, das uns auf dem Album auch noch begegnen wird – und so erkannte ich irgendwann, dass man speziell an diese Scheibe ganz anders heran gehen muss.

Die »Geheimhaltung durch öffentlichen Unglauben«, wie der Titel ins Deutsche zu übersetzen wäre, ist weniger Musik als vielmehr ein Transportmittel, ein Medium für eine philosophisch künstlerische Botschaft, mit der man sich zunächst auseinander setzen sollte, bevor man den CD-Player anwirft. Dann plötzlich erscheinen die Dinge nämlich ganz anders als sie zunächst den Eindruck vermittelten. Und mein persönlicher Unglaube gegenüber sehr viel Öffentlichem wird von Jahr zu Jahr grösser!

Schaut man sich im Netz um, gelangt man zunächst zu einem gesamthaften künstlerischen Projekt namens Die Diebe, die unter dem herrlich frechen Motto »wir kümmern uns um eine kapitalgerechte Anwendung künstlerischer Erzeugnisse« in verschiedenen Disziplinen aktiv sind. Anders geschrieben ergibt Die Diebe DIE DIE BE. Diese Kombo aus Luzern, bestehend aus Mater und Spirit oder auch Lili Vanilly und Bujar Berisha, ist Teil des Konzepts. Übersetzt man den Bandnamen ins Englische, heisst es eben ‚Stirb Stirb Sei‘:

»Stirb zweimal um zu sein. Zerstöre die Angst. Glaube nicht mehr an Geld. Glaube an Dich selbst. Überwinde Materialität, überwinde Spiritualität«. Dies ist das Hauptthema des Albums, dessen Musik ich nun endlich ein wenig näher beschreiben möchte.

Puristisch reduziert auf Synthesizer, Drums und zwei Stimmen werden wir in einen mitunter Trance-artigen Sog gezogen, der durch seinen Minimalismus lebt. Träge wabernde Rhythmen werden mit simplen Klangbildern belegt, die oftmals kaum eine Melodie hergeben. Die vokalen Parts ähneln oft einer Art Sprechgesang. Die Musik will nicht die Aufmerksamkeit, sie will lediglich überleiten zu den Gedanken, die dahinter stecken.

In „SIGNAL / NOISE“ erkennt man erstmals zarte Verwandtschaft zu frühen Elektronikprojekten, hier wird ein wenig mehr Melodie erzeugt als zu Beginn. Doch gleich geraten wir wieder in reinen Purismus.

Das Video zu «FEAR» unterstützt den monotonen Drift durch ein Uralt-Telespiel, wo anscheinend anstatt einem Ball ein Corona-Virus hin und her gekickt wird. »Who controls the fear, controls you?« Eine gute Frage in einer Zeit, in der den Menschen tagtäglich Angst suggeriert wird. Von allen Seiten. Doch vor allem sind wir es selbst, die wir uns verängstigen lassen. Warum eigentlich?

Immer wieder stellt die Band, wenn man diese Formation überhaupt so nennen darf, grundsätzliche Fragen unseres modernen Daseins in den Fokus, welches in einem völlig aus den Fugen geratenen Neo-Kapitalismus mit dem Götzengott Geld («FAKE MONEY») immer perversere Züge annimmt. Man möchte darauf hinweisen, dass ein Mensch, der sich derart von Konsum und erlernten vorgegebenem Rollenverhalten vereinnahmen lässt, bestenfalls funktioniert, aber ganz sicher nicht sein wirkliches Leben führt. Die Botschaft ist, dieses materielle Streben hinter sich zu lassen, um zu  sich selbst zu finden. Der erste Tod, the first die.

Bis hierhin könnte man fast denken, einen ähnlichen Ansatz wie im Buddhismus zu erkennen, doch davor warnt sozusagen die Aufforderung, auch den zweiten Tod zu sterben. Und der heisst eben Spiritualität. Wie sagen unsere Schweizer so schön? »Dieser zweite Tod ist in einem weiteren Kontext eine Erfindung der Religion. Um uns an sie zu binden«. Ein sehr interessanter Gedanke,  und mal ganz ehrlich: Ist es nicht tatsächlich so, dass man den Menschen in allen möglichen Glaubensrichtungen suggeriert, nur dann gute Karten zu haben, wenn man sich ihrem Verein und seinen Spielregeln anschliesst? Den bettelarmen Leibeigenen auf dem Feld hat man im Mittelalter auch erklärt, sie würden in einem Leben nach dem Tod belohnt. Hunger und Armut im Diesseits seien gut. Und die Glaubensvertreter, die diese Weisheiten verbreiteten, frassen sich tagtäglich ihre fette Wampe voll. Wasser predigen, Wein saufen, darauf hat der Klerus kein Alleinstellungsrecht, da fallen mir noch ein paar andere Fraktionen ein.

Verpackt werden diese Botschaften eben in sehr eintönige, synthetische Klänge, die gelegentlich an die minimalistischen und vorsätzlich reduzierten Strukturen während der neuen deutschen Welle erinnern. Auch damals war dieses Stilmittel sicher gewollt, wenngleich ich damit nichts anfangen konnte. Ich denke, man wollte zum einen dem New Wave einen ordentlichen Kontrast vor den Latz knallen und vor allem sich von den oft schwermütig dramatischen Krautrockern distanzieren.

Hier aber geht es um wesentlich bedeutendere Themenkreise, denn die Entfremdung des Menschen von seiner eigentlich so schönen Umwelt, seiner Kultur als soziales Wesen und die geistige Versklavung des Individuums in einer alles steuernden, unsäglich geldgeilen oder ideologisch verblendeten Gesellschaft wird zwangsläufig kein gutes Ende nehmen. So gesehen muss man dankbar sein für jeden, der den Menschen Wege aufzeigen möchte, sich selbst zu emanzipieren. Erkennt die Matrix und befreit Euch aus ihr – das ist etwas, was mir selbst sehr am Herzen liegt, auch wenn solche Gedanken bei den Mainstream-Menschen alles andere als populär ankommen.

Rhythmisch besonders poppig unterlegt, begeben wir uns auf die Suche nach dem Schlüssel, wie wir aus dem Teufelskreis ausbrechen können. „AWA KEY“ hat vielleicht gerade deshalb die meisten melodischen Parts auf dem Album. Hier schichten sich in einem fast New Wave-artig düsteren Sound, der an die Achtziger erinnert, erstmals kleine Wände getasteter Töne auf und vermitteln ein ganz klein wenig schräge Harmonie. Hoffnung?

Ich denke, der Titelsong «SECRECY THROUGH PUBLIC DISBELIEF» gibt hierauf die Antwort. Loslassen und über Bord mit Dingen, die Mensch nicht braucht, so verstehe ich die Botschaft. Hier bekommen wir im Gegensatz zu den meisten anderen Songs auf dem Album einen mehr oder weniger durchgehenden Soundteppich düsterer Synthesizerklänge über einem besonders reduzierten Schlag. Die elektronischen Sequenzen gurgeln und murmeln im Hintergrund. Ganz weit im Kleinhirn kommen ein paar zarte Erinnerungen an die Kölner von Can und ihre experimentellen Sounds auf. Das hypnotische »CHANGE / HOPE« brennt sich in die Hirnwindungen des Zuhörers, eingemeisselt wie durch einen elektronischen Guru, der dazu aufruft, ihn zu zerlegen. Spiritualität, der zweite Tod, um zu leben.

Man muss diese Musik jenseits der Konventionen schon im Kontext der philosophischen Hintergründe erleben, um sich das Gesamterlebnis selbst erschliessen zu können. Lässt man sich drauf ein, bleiben starke Eindrücke zurück und man fragt sich zwangsläufig selbst, wo man am Ende in dieser Welt stehen möchte. Stilistisch bewegt sich das Album sicher im Bereich Pop, aber wir sind von Radiotauglichkeit sehr weit entfernt. Zum Glück.
Avantgardistischer Elektro-Pop mit Tiefgang und Lebensweisheiten, die man uns wünschen mag. 
Cool.

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